Mediation – Ein Verfahren mit Friede-, Freude-, Eierkuchengarantie?
Vor längerer Zeit hatte ich einen Artikel mit dem Titel "Die zehn häufigsten Irrtümer über Mediation" für die Huffingtonpost geschrieben. Man könnte die Liste der allgemein herrschenden Irrtümer über Mediation jedoch noch sehr lange fortführen. Erst kürzlich sagte ein Bekannter zu mir "Mediation ist doch etwas, das die meisten Leute mit Esoterik in Verbindung bringen!". Als passionierte Mediatorin wird da bei mir natürlich sofort der Wunsch wach, Aufklärung zu leisten ;-)
Ich hoffe ja doch, dass sich heutzutage schon viele Menschen etwas unter "Mediation" vorstellen können, aber ich gebe auch zu, dass ich den Satz "Nein, ich biete keine Meditation, sondern Mediation an" durchaus nicht selten verwende. Dabei ist Mediation ein sehr strukturiertes Verfahren, das weder etwas mit Esoterik, noch mit Psychotherapie zu tun hat - Hierfür wäre ich als Juristin ja auch gar nicht qualifiziert!
Ich denke, dass sich viele Menschen noch nicht so wirklich vorstellen können, was sie beim Mediator erwartet, daher finde ich es sehr wichtig, die bestehenden Irrtümer aus dem Weg zu räumen - Und dadurch auch Mut zu machen, den Gang zum Mediator "zu wagen"!
Heute möchte ich daher über einen weiteren großen Irrglauben, der mir in meiner Mediationskanzlei immer wieder auffällt, schreiben: Viele Menschen glauben, dass eine erfolgreiche Mediation zwangsläufig immer mit großem Frieden, Harmonie und Verzeihen zwischen allen Beteiligten enden muss. Dies ist zwar häufig der Fall - Aber nicht immer!
Vor einiger Zeit erlebte ich in einer Mediation zwischen Geschwistern - Bruder und Schwester - dass das Verfahren wirklich gut lief. Wir waren schon große Schritte vorangekommen - die Lösung war schon fast greifbar. Doch während der dritten Sitzung machte die Schwester plötzlich ihrem Unmut Luft: „Aber wir sind uns ja noch gar nicht näher gekommen!“. Sie hatte zu Beginn der Mediation geäußert, dass sie sich wünsche, dass sich das Verhältnis zu ihrem Bruder wieder bessere. Dieser wollte das jedoch gar nicht, er wollte einfach eine Lösung für die Frage, wie das gemeinsam geerbte Vermögen aufgeteilt werden soll, finden. Er wollte definitiv nicht über das Verhältnis mit seiner Schwester sprechen und nur seine Ruhe haben sowie abschließen können.
Hierzu möchte ich folgendes klarstellen: In einem Mediationsverfahren werden nur die Themen besprochen, über die alle Beteiligten sprechen möchten. Wenn nur einer der Beteiligten den Wunsch hat, daß ein Thema in der Mediation besprochen und gelöst werden soll, reicht das nicht aus! Alle müssen sich für das Thema entscheiden, sonst wird es nicht in der Mediation besprochen! Der Mediator zwängt keinem der Beteiligten ein Thema auf!
Daher war Hauptthema der Mediation zwischen den Geschwistern auch nur die Aufteilung des Erbes und nicht das Verhältnis untereinander. Dem Wunsch der Schwester nach Annäherung konnte hier also nicht nachgekommen werden.
Stellenweise kam das Verhältnis der Geschwister in der Mediation dann natürlich doch zur Sprache, aber nur soweit es für Beide ok und auf dem Weg zu einer guten Lösung bezüglich der Verteilung des Erbes erforderlich war.
Nun aber zurück zum Ausgangspunkt: In Bezug auf unser (einziges!) Thema „Aufteilung des Erbes“ lief die Mediation wie gesagt sehr gut: Die Geschwister konnten hierzu eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung finden. Die Mediation war also ohne Annäherung der Geschwister erfolgreich, denn für unser gemeinsames Thema gab es eine gute Lösung!
Sie sehen an dem Beispiel: Eine Mediation macht auch da Sinn, wo ich zwar eine gute und friedliche Lösung finden will, aber nicht die große "Verbrüderung" mit dem Gegenüber wünsche! Niemand zwingt Sie in einer Mediation zu Annäherung bzw. "Friede, Freude, Eierkuchen à la piep, piep, piep, wir haben uns alle lieb!". Vielmehr schauen wir auf auf eine sehr strukturierte Art und Weise an, wie man die Zukunft regeln kann, damit alle Beteiligten gut damit leben können - Aber wie gesagt, nur in Bezug auf die gemeinsam gewünschten Themen.
Die Mediation hatte im Fall der Geschwister dann erfreulicherweise auf Dauer gesehen doch noch positive Folgen in Bezug auf das Verhältnis untereinander: Als ich ein halbes Jahr später bei Beiden nachfragte, erfuhr ich, dass es den Geschwistern doch gelungen war, ganz langsam wieder etwas besser miteinander umzugehen – Da die belastende Verteilung des Erbes nicht mehr zwischen ihnen stand und Beide mit der gefundenen Lösung sehr zufrieden waren, konnten sie wieder ungezwungener und unbelasteter aufeinander zugehen.
Dies war ein sehr erfreulicher „positiver Nebeneffekt“ - Die Mediation ebnete dann im Endeffekt doch den Weg zur Annäherung, obwohl das nicht unser eigentliches Ziel war.
Die Lösungen, die in Mediationsverfahren entwickelt werden, sind so individuell wie die an den Streitsituationen beteiligten Menschen und Situationen: Die mithilfe von Mediation gefundene Lösung kann so aussehen, dass Familienmitglieder eine Angelegenheit gut regeln und dann erst einmal getrennter Wege gehen, oder aber auch so, dass man sich durch das Finden der gemeinsamen Lösung direkt wieder annähert und der Friede wieder hergestellt ist. In einem Mediationsverfahren mit einem Team bei einem beruflichen Konflikt kann die gemeinsam erarbeitete Lösung so aussehen, dass man gute Wege für eine künftige Zusammenarbeit findet, aber auch so, dass man feststellt, dass es besser ist, beruflich getrennter Wege zu gehen.
Sie sehen also: Eine erfolgreiche Mediation führt immer zu einer für die Beteiligten zufriedenstellenden Lösung, mit der sie gut leben können, aber die Friede,- Freude,- Eierkuchengarantie gibt es hier nicht. Wie Sie in dem Beispiel der Geschwister gesehen haben, führen zufriedenstellende Lösungen dann aber oft so ganz neben bei zu einer Besserung der persönlichen Beziehung mit dem Gegenüber.
Ich stelle auch immer wieder fest, dass der Irrglaube besteht, eine erfolgreiche Mediation führe automatisch zu Verzeihen. Zum Thema „Verzeihen“ durfte ich mich übrigens neben weiteren Experten gerade in der Zeitschrift „Donna“ äußern. Den Artikel finden Sie auf dieser Homepage in der Presserubrik.
Verzeihen ist ein Prozess, den man auch in einem Mediationsverfahren nicht erzwingen kann. Ein aufeinander Zugehen und das Finden einer gemeinsamen Lösung kann zu Annäherung und Verzeihen führen, muss es aber nicht. Ziel einer Mediation ist eine vertragliche Regelung - Verzeihen lässt sich aber schwerlich vertraglich festlegen. Auch das Verzeihen kann ein angenehmer Nebeneffekt einer Mediation sein. Das gegenseitige Zuhören, das während der Mediation stattfindet, tut hierbei noch das Seine. Plötzlich versteht man das Verhalten des Gegenübers vielleicht doch ein bisschen besser und eine Annäherung wird möglich.
Man kann - falls dies von allen Beteiligten gewünscht ist - in einem Mediationsverfahren Schritte hin zum Verzeihen gehen, indem zum Beispiel eine vom Mediator geführte Entschuldigung ausgesprochen wird, indem geregelt wird, wie man künftig mit ähnlichen Situationen umgehen möchte, oder indem derjenige, der um Verzeihen bittet, Zugeständnisse bei der Lösung macht - Dies kann auf dem Weg zum Verzeihen unterstützen und den Weg zum inneren Aussöhnen fördern - Aber eine „Verzeihensgarantie“ gibt es nicht.
Fazit: Weder eine Annäherung noch ein Verzeihen kann man in einer Mediation erzwingen oder vertraglich regeln, aber das Finden gemeinsamer Lösungen auf friedlichem Weg ist ein sehr guter Schritt in diese Richtung. Mithilfe von Mediation findet man gute und friedliche Lösungen für die von allen gewünschten Themen - Lösungen, mit denen alle Beteiligten gut leben können. Gleichzeitig ist Mediation auch ohne "Friede, - Freude ,- Eierkuchengarantie" ein guter Schritt hin zur Verbesserung der Beziehung zum Gegenüber. Man könnte sagen: Mediation ebnet den Weg für einen künftigen friedlichen Umgang, bei dem man sich noch gut in die Augen schauen kann.
Hatten Sie auch die Vorstellung, dass eine erfolgreiche Mediation automatisch und direkt zu großer Harmonie und Verzeihen führt? Über Ihre Anregungen und Kommentare unter diesem Artikel freue ich mich wie immer sehr!
Herzlichst,
Ihre Christina Wenz
Kommentare (4)
Christine Kempkes:
Dec 16, 2015 at 10:42 PM
Lieb Christina, das hast super herausgearbeitet! "Friede-Freude-Eierkuchengarantie" gefällt mit gut ?
Manchmal ist es auch schon ein erster positiver Schritt, wenn beide Seiten akzeptieren lernen, dass es Differenzen gibt, die nicht ausgeräumt werden können. Erstmal nicht oder sogar dauerhaft nicht. Dieses Akzeptieren bringt ja schon etwas Entspannung in eine verkrampfte Situation.
Liebe Grüße
Christine
Christina Wenz:
Dec 17, 2015 at 09:32 AM
Liebe Christine, herzlichen Dank für Deinen Kommentar und das Kompliment. Ja, das Akzeptieren ist wirklich ein wichtiger Schritt, der oftmals gar nicht so leicht fällt! Liebe Grüße, Christina
ulrich wanderer:
Jan 06, 2019 at 09:45 AM
Liebe Christine!
Langsam werde ich ja ein begeisterter Folger Deiner Texte. Danke für Deine Gedanken und Ansätze, sie tun der Mediation an sich gut, weil sie ihren Grundgedanken unters Volk bringen.
Ich hab mir auch einmal erlaubt, einen Beitrag zu den (wie ich es nannte..) Kollateralvorteilen der Mediation zu verfassen
https://mediationwanderer.wordpress.com/2016/08/13/kollateralvorteile-der-mediation/
Liebe Grüße und
Freu mich schon auf den nächsten Beitrag
Ulrich
Christina Wenz:
Jan 06, 2019 at 09:58 AM
Lieber Ulrich, ich danke Dir sehr für Das tolle Kompliment, das freut mich sehr! :-) Das ist ein sehr guter Artikel, den Du da verlinkt hast! Super! Ich finde, man kann nicht genug über Mediation schreiben, sprechen, informieren und aufklären :-)! Mit den besten Wünschen, Christina
Kommentar schreiben